Apps und Online-Funktionen im Rahmen von Aufklärung, Beratung und Information
Als exemplarische Anwendungsfälle können aus der Aufsichtspraxis aufgeführt werden:
- Klinikführer, Ärzteführer, Geschäftsstellensuche,
- Diabetes-Tagebücher,
- Impf- sowie Terminerinnerungs-Apps,
- Anwendungen zur Feststellung von Wechselwirkungen von Medikamenten,
- „Gesundheitsassistenten“, die Krankheitssymptome unter Heranziehung von ärztlichen Leitlinien bewerten, Informationen zu Wechselwirkungen von Medikamenten und Patienteninformationen geben, medizinische Notfalldaten speichern und für Dritte zugänglich machen, einen Arztterminvermittlungs-Service anbieten und Impferinnerungen melden,
- Apps für eine Analyse gesundheitlicher Beschwerden, bei der dem Nutzer nach Durchlaufen konkreter Fragen zu Symptomen Hintergrundinformationen zu möglichen Ursachen geliefert werden,
- Apps, bei denen Schwangere Patienteninformationen rund um das Thema Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensmonate des Kindes sowie zu typischen Symptomen in der Schwangerschaft gegeben werden,
- Anwendungen zur Ermittlung von Herzrhythmusstörungen: Einstrahlung des Smartphone-Blitzlichts auf die Fingerkuppe und Messung von pulsabhängigen Helligkeitsschwankungen bei der Lichtreflexion,
- Online-Bewegungsproramme zur Reduktion des Rezidivrisikos bei Krebserkrankungen,
- Anwendungen zur digitalen Erfassung von Neurodermitis-Verläufen bei Kindern,
- Anwendung digitaler Sprachassistenten zur präventiven Mundhygiene und Entspannungstraining und
- Anwendungen zur Erstellung von Patientenverfügungen.
Die oben dargestellten Anwendungen wurden im Digitalausschuss diskutiert. Vor dem Hintergrund, dass nach § 30 SGB IV Krankenkassen finanzielle Mittel nur für die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben aufwenden dürfen, hatte dabei stets eine Einordnung in den verwaltungs- und leistungsrechtlichen Handlungsrahmen zu erfolgen. Dies stellt sich wie folgt dar:
Dem Sektor der Aufklärung, Beratung und Auskunft (§§ 13, 14, 15 SGB I) zugeordnet und vom BAS als rechtlich unbedenklich eingestuft worden sind die o.g. Anwendungen eines Klinikführers, eines Ärzteführers, sowie einer Geschäftsstellensuche, eines Arztterminvermittlungsservices, Diabetes-Tagebücher sowie Impf- und Terminerinnerungen. Datenschutzrechtlich ist im Hinblick auf eine fehlende Ermächtigung zur Erhebung von Sozialdaten gemäß § 284 SGB V noch darauf hinzuweisen, dass sicherzustellen ist, dass die Daten, die beim „Selbstmanagement“ der Versicherten z. B. bei der Führung eines Diabetestagebuchs erhoben werden, ausschließlich in der Sphäre der Versicherten gespeichert werden. Die Krankenkassen dürfen hierauf keinen Zugriff haben.
Zahlreiche Krankenkassen bieten ihren Versicherten zudem Patienteninformationen und niederschwellige Beratungsleistungen allgemeiner Art (Symptomerläuterung, Informationen zu Krankheitsbildern, Erläuterungen zur Arzneimittelwirkweise etc.) sowohl telefonisch als auch online und per App an. Zu nennen sind hier beispielsweise Apps, bei denen Versicherte in Abhängigkeit von Symptomen Handlungsempfehlungen erhalten. Des Weiteren werden Apps für eine Analyse und Aufzeichnung gesundheitlicher Beschwerden angeboten, bei der den nutzenden Personen nach dem Beantworten konkreter Fragen zu ihren Symptomen Hintergrundinformationen zu möglichen Ursachen geliefert werden. Die Versicherten erhalten z. B. allgemeine Handlungsempfehlungen zu Ernährung, Medikationschecks oder Hinweise zu gesundheitsbewusstem Verhalten. Voraussetzung für die rechtliche Zulässigkeit solcher Anwendungen ist, dass die Anwendungen sich auf niederschwellige Informationen beschränken, ohne eine konkrete medizinische Einzelberatung und Therapieempfehlung vorzunehmen. Nicht zulässig war etwa die Funktion einer durch das BAS geprüften App, die bei bestimmten Beschwerden die Einnahme von Kortison empfahl. Derartige konkrete Therapieempfehlungen unterliegen dem Arztvorbehalt.
Der durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingefügte § 67 SGB V kann als Rechtsgrundlage für Apps mit den oben dargestellten Inhalten herangezogen werden. Nach § 67 SGB V sollen Krankenkassen die Kommunikation sowie den Daten- und Informationsfluss zwischen Krankenkasse und Leistungserbringern aber auch im Verhältnis zu den Versicherten durch vernetzte digitale Anwendungen und Dienste mit dem Ziel verbessern, die aktive und informierte Mitwirkung der Versicherten am Behandlungs- und Rehabilitationsprozess auszubauen sowie die Versicherten bei der gesundheitsbewussten Lebensführung zu unterstützen.
Aufgrund des Wortlauts der Vorschrift, welcher sich auf die Kommunikation sowie den Daten- und Informationsfluss zwischen den Krankenkassen und Leistungserbringern beschränkt, sieht das BAS insbesondere Apps wie Impferinnerungen oder Arztterminvermittlungsservices von der Norm erfasst.
Auch das oben genannte Online-Bewegungsprogramm mit dem Ziel der Reduktion des Rezidivrisikos bei Krebserkrankungen sieht das BAS von der Norm des § 67 SGB V erfasst, da es sich hierbei um eine digitale Anwendung zur Förderung der aktiven und informierten Mitwirkung des Versicherten am Behandlungs- und Rehabilitationsprozess sowie zur Unterstützung der Versicherten bei einer gesundheitsbewussten Lebensführung handelt.
Ebenso wird auch die vorgenannte Anwendung zur Erfassung von Neurodermitis-Verläufen aus Sicht des BAS von der Norm des § 67 SGB V umfasst, da sie Eltern dabei unterstützt, am Behandlungsprozess ihrer Kinder mitzuwirken. Die Eltern zeichnen den Verlauf auf und sind dementsprechend in der Lage, diesen besser mit dem Arzt zu kommunizieren.
Das BAS hat sich im Zusammenhang mit § 67 SGB V auch mit der Verbuchung der Kosten der vorgenannten Apps befasst. Grundsätzlich ist eine versichertenbezogene Verbuchung der Kosten vorzunehmen.
Darüber hinaus werden Apps mit den o.g. Inhalten bereits jetzt in strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten nach § 137f SGB V eingebunden.
Im Ergebnis sind Apps und Online-Funktionen im Rahmen von Aufklärung und Beratung überwiegend als rechtlich unbedenklich einzustufen. Soweit Apps allgemeine Beratungsleistungen medizinischer Art enthalten, müssen sich diese ausschließlich auf niederschwellige Beratungen beschränken und dürfen keine konkreten Handlungs- und Therapieempfehlungen enthalten. Apps zur Symptombeschreibung und -erfassung dürfen keine Diagnosestellungen vornehmen.
(Stand: 22.11.2023)