Rundschreiben KV
24. August 2020

Änderungsbedarf der Satzungsregelung/-en zum Bonusprogramm gemäß § 65a SGB V aufgrund des Masernschutzgesetzes zum 1. März 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,
insbesondere durch das Masernschutzgesetz hat sich mit Wirkung zum 1. März 2020 die Regelung für die Bonusprogramme in § 65a SGB V erheblich geändert. Kurz zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Bonusprogramme nach unserer Lesart des § 65a SGB V (n. F.) einige zwingende neue Voraussetzungen erfüllen müssen:

  • Die in § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) genannten Maßnahmen müssen zwingend von einem Bonusprogramm aufgegriffen werden.
  • Maßnahmen nach § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.), die nur einmal innerhalb eines Nachweiszeitraums durchgeführt werden (z. B. Masernschutzimpfung), müssen auch bereits als Einzelmaßnahme zu einem Bonus führen, weil das Erfordernis der „regelmäßigen“ Inanspruchnahme entfallen ist. Werden Maßnahmen nach § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) mehrstufig durchgeführt (z. B. U-Untersuchungen) kann für die Stufen, die innerhalb eines Nachweiszeitraumes durchgeführt werden, Vollständigkeit gefordert werden, um einen Bonus zu erreichen.
  • Für Maßnahmen nach dem § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.) bleibt es bei der bisherigen „Soll-Regelung“ sowie beim Erfordernis der Regelmäßigkeit.
  • Gemäß § 65a Absatz 3 SGB V (n. F.) müssen Maßnahmen nach § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) nicht mehr evaluiert werden. Die Evaluationspflicht beschränkt sich auf Maßnahmen nach § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.).

Als Konsequenz daraus ist es unseres Erachtens notwendig, zwei getrennte Bonusprogramme aufzubauen, um die o. g. Änderungen angemessen umsetzen zu können. Zumindest muss eine Bonusregelung für die Maßnahmen gemäß § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) künftig auch dann als ein eigenständiges Programm fortbestehen können, falls das Programm für die Maßnahmen gemäß § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.) beendet werden sollte (z. B. als Folge eines negativen Evaluationsergebnisses). Da die geänderte Rechtslage bereits zum 1. März 2020 in Kraft trat, konnten Sie eine Anpassung oder Neufassung des Bonusprogrammes nicht mehr rechtzeitig vornehmen. Wir erachten es für akzeptabel, dass eine Änderung oder Neufassung des Bonusprogrammes spätestens zum 1. Januar 2021 erfolgt.

Inhaltlich ergeben sich folgende Hinweise:

Zu § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.)

Nach dem neuen § 65a Absatz 1 SGB V bestimmt die Krankenkasse in ihrer Satzung, unter welchen Voraussetzungen Versicherte, die Leistungen zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten nach §§ 25, 25a und 26 SGB V oder Leistungen für Schutzimpfungen nach § 20i SGB V in Anspruch nehmen, Anspruch auf einen Bonus haben. Im neuen § 65a Absatz 1 SGB V wird auf die „Regelmäßigkeit“ verzichtet bzw. diese ist keine zwingende Voraussetzung mehr für einen Bonusanspruch. Versicherte müssen bereits nach einer durchgeführten Maßnahme einen Bonus erhalten können. Der Gesetzgeber beabsichtigt damit, dass der positive Anreiz zur Wahrnehmung der optimierten Gesundheitsuntersuchungen nach §§ 25, 25a und 26 SGB V gestärkt wird. Die Krankenkassen werden verpflichtet, Boni für diese Untersuchungen anzubieten. Dies gilt auch für die Inanspruchnahme von Schutzimpfungen nach § 20i SGB V. Die Regelung der einzelnen Voraussetzungen zum Bonusprogramm bleibt den Krankenkassen weiterhin erhalten.
Für die Früherkennungs- und Gesundheitsuntersuchungen nach §§ 25, 25a und 26 SGB V, die nur „einmalig“ durchgeführt oder innerhalb eines Nachweiszeitraums nur einmalig in Anspruch genommen werden können (z. B. „Neugeborenen-Hörscreening einschließlich einer etwaigen Konfirmationsdiagnostik“ oder „Ultraschall-Screening auf Bauchaortenaneurysmen“) sind die Krankenkassen daher künftig verpflichtet, auch bei einmaliger Inanspruchnahme solcher Leistungen einen Bonus vorzusehen, um damit einen Anreiz für eine Teilnahme zu setzen. Für mehrstufige Untersuchungen, wie z. B. U-Untersuchungen, „kann“ die Vollständigkeit der innerhalb des Nachweiszeitraums angebotenen Maßnahmen als Voraussetzung in der Satzung weiterhin festgelegt werden. Für die Schutzimpfungen gilt das gleichermaßen. Außerdem ist es unerheblich, ob diese nach der Regelversorgung (§ 20i Absatz 1 SGB V) oder als Satzungsleistung (§ 20i Absatz 2 SGB V) erbracht worden sind. Auch wenn Versicherte zwingend bereits bei einer durchgeführten Maßnahme einen Bonus erhalten müssen (vgl. § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.)), sind die Krankenkassen unseres Erachtens nicht zwingend verpflichtet, Kleinstboni auszuzahlen. Soweit von den Versicherten mehrere Maßnahmen in Anspruch genommen wurden, kann der „Pflichtbonus“ zusammen mit den weiteren Einzelmaßnahmen zu einem einheitlichen Bonus führen. Allerdings sehen wir es kritisch, wenn als zwingende Voraussetzung die Kombination von verschiedenen Maßnahmen im Sinne des § 65a Absatz 1 SGB V gefordert würde. Ein Pflichtbonus muss als Einzelbonus möglich sein. Der Bonusanspruch kann daher nicht erst bei Kumulation mehrerer Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen entstehen. Denn dies würde nach hiesiger Einschätzung der gesetzlichen Intention nicht gerecht werden. Beispielsweise könnte das Bonusprogramm zu § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) so gefasst werden, dass Versicherte einen Anspruch auf einen Bonus haben, wenn sie von mehreren genannten Leistungen im Sinne des § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) mindestens eine Maßnahme nachweisen. Dafür erhalten sie einen Bonus in Höhe von X EUR. Versicherte, die weitere Maßnahmen in Anspruch nehmen, erhalten insgesamt Y EUR oder soweit alle Einzelmaßnahmen in Anspruch genommen werden, erhalten Versicherte einen (erhöhten) Bonus in Höhe von Z EUR. Soweit die Bonusprogramme nicht getrennt geregelt werden, sondern Maßnahmen nach § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) in einem Bonusprogramm mit Maßnahmen gemäß § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.) kombiniert werden sollen, an der „Regelmäßigkeit“ insofern also festgehalten werden soll, so ist dennoch zusätzlich eine entsprechende Bonusvariante für eine Einzelmaßnahme im Sinne des § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) vorzusehen. Maßnahmen zur Mutterschaftsvorsorge werden unter Heranziehung der Gesetzesbegründung zum Präventionsgesetz aus Juni 2015 weiterhin als genehmigungsfähige Bonusmaßnahmen erachtet. Über den Wortlaut des § 65a SGB V hinaus verstehen wir deshalb die in Bezug genommenen Vorschriften des §§ 25, 26 SGB V dahin, dass auch die Bonifizierung von Zahnvorsorge und Mutterschaftsvorsorge genehmigt werden können. Dieser Argumentation folgend sind die Schwangerschaftsvorsorge, und in der Folge dann auch die Zahnvorsorge, die professionelle Zahnreinigung, die zusätzlichen Kinder- und Jugenduntersuchungen J1/J2 weiterhin als Erweiterung der Leistungen nach den §§ 25, 26 SGB V anzusehen, so dass diese dem § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) zuzuordnen und folglich nicht zu evaluieren sind. Des Weiteren weisen wir darauf hin, dass eine ungekündigte Mitgliedschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung als Voraussetzung für die Auszahlung im Rahmen von § 65a Absatz 1 SGB V (n. F.) nicht gefordert werden kann. Im Falle des § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.) soll dies mit Blick auf die Generierung von Einsparungen und Effizienzsteigerungen für eine Evaluation gemäß § 65a Absatz 3 SGB V weiterhin möglich sein.

Zu § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.)

Gemäß des neuen § 65a Absatzes 1a soll die Krankenkasse bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Versicherte, die regelmäßig Leistungen der Krankenkassen zur verhaltensbezogenen Prävention nach § 20 Absatz 5 SGB V in Anspruch nehmen oder an vergleichbaren, qualitätsgesicherten Angeboten zur Förderung des gesundheitsbewussten Verhaltens teilnehmen, Anspruch auf einen Bonus haben. Hierunter werden die Leistungen/Maßnahmen benannt, die bisher von § 65a Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V als Präventionsmaßnahmen nach § 20 Absatz 5 SGB V oder vergleichbare, qualitätsgesicherte Angebote erfasst wurden. Für diese Leistungen/Maßnahmen sieht der Gesetzgeber weiterhin eine „regelmäßige“ Teilnahme vor (z. B. Fitnessstudio, Sportverein), um einen Bonusanspruch zu generieren. Zusätzlich sieht § 65a Absatz 3 SGB V (n. F.) zukünftig nur noch eine Evaluationspflicht von Maßnahmen des § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.) vor.

Zu § 65a Absatz 3 SGB V (n. F.)
Auf eine Evaluation für das Jahr 2020 wird aufgrund der geänderten Rechtslage ab dem 1.März 2020 verzichtet. Mit Inkrafttreten des neuen Bonusprogrammes entsteht dann ab dem
1. Januar 2021 ein neuer Evaluationszeitraum bzw. Drei-Jahres-Zeitraum (2021 bis 2023). Daher werden die Evaluationsberichte nur noch für den Berichtszeitraum bis zum 31. Dezember 2019 angefordert. Soweit der letzte Berichtszeitraum bis 2018 erfolgte, ist für das Jahr 2019 ein Zwischen- oder Controlling Bericht vorzulegen. Soweit eine Krankenkasse an einer Evaluation für 2020 festhalten möchte, so müsste die Evaluation ab dem 1. März 2020 insoweit abgeändert werden, dass nur noch Maßnahmen im Sinne des § 65a Absatz 1a SGB V (n. F.) evaluiert werden. Abschließend bitten wir – soweit noch nicht geschehen – um Vorlage eines Entwurfes zum Satzungsnachtrag zur Änderung oder Neufassung Ihres Bonusprogrammes nach § 65a SGB V (n. F.).
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Beckschäfer