Rundschreiben KV
15. Juni 2021

Gesetzliche Krankenversicherung – Mitgliederwerbung

An
alle bundesunmittelbaren Krankenkassen
nachrichtlich
BMG
Aufsichtsbehörden der Länder
GKV-Spitzenverband

Aufwandsentschädigungen für Vertriebsmitarbeiter, Werbekooperationen mit Arbeitgebern und Risikoselektion

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Bundesamt für Soziale Sicherung erreichen Hinweise, dass Aufwandsentschädigungen an Vertriebsmitarbeiter der Krankenkassen sowie an Arbeitgeber für erfolgreich geworbene Neumitglieder gezahlt werden, die zum Teil nach Risikoklassen gestaffelt sind. Diese Hinweise erfolgen teilweise anonym. Wir müssen dies sehr ernst nehmen, da nach den vorliegenden Hinweisen nicht eingeschätzt werden kann, ob es sich um Einzelfälle (der benannten Kassen) oder eher ein flächendeckendes Phänomen handelt.

Die Zahlung von Aufwandsentschädigungen an Vertriebsmitarbeiter der Krankenkassen ist gemäß Randziffer 33 der Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. März 1998 in der Fassung vom 11. November 2015 (Wettbewerbsgrundsätze) unzulässig. Mitarbeitern der Krankenkassen darf kein über die Dienstbezüge bzw. Vergütung sowie die Reisekostenvergütung hinausgehendes Entgelt gezahlt werden.

Nach Randziffer 41 der Wettbewerbsgrundsätze darf die Autorität Dritter nicht zur Werbung eingesetzt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass durch Dritte kein unzulässiger Druck auf potenzielle Mitglieder bei der Kassenwahl ausgeübt wird. Unzulässiger Einsatz der Autorität Dritter liegt gemäß Randziffer 42 der Wettbewerbsgrundsätze dann vor, wenn damit zugunsten einer bestimmten Krankenkasse missbräuchlich oder täuschend Einfluss genommen und insbesondere die freie Kassenwahl unterlaufen wird. So hat es das BSG bereits mit Urteil vom 20. April 1988 (Az. 3/8 RK 4/87) als unzulässig angesehen, wenn ein Krankenkassenmitarbeiter in einem Gespräch darauf hinweist, dass der zukünftige Arbeitgeber Mitglied dieser Krankenkasse sei und es gern sehe, wenn die neuen Mitarbeiter dies ebenfalls würden. Der Hinweis auf die Krankenkassenmitgliedschaft des Arbeitgebers sei für den Arbeitnehmer irreführend; er sei geeignet, den Arbeitnehmer in seiner Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen und in seiner Wahl der Krankenkasse unsachlich zu beeinflussen.

Nach § 4a Abs. 1 Satz 3 SGB V sind Maßnahmen, die der Risikoselektion dienen oder diese unmittelbar oder mittelbar fördern, unzulässig. Die Begründung des GKV-FKG zu § 4a SGB V betont, dass allen wahlberechtigten Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten unabhängig von ihrem individuellen Gesundheitszustand der Zugang zu sämtlichen wählbaren Krankenkassen zu eröffnen ist. Maßnahmen der Krankenkassen, die gezielt auf die Gewinnung von Versicherten mit besonders niedrigen Krankheitsrisiken gerichtet sind oder dazu dienen, Versicherte, die hohe Kosten verursachen, zum Wechsel in eine andere Krankenkasse zu bewegen, sind daher unzulässig (BT-Drs. 19/15662, S. 68).

Sogenannte Zielgruppenvereinbarungen für die Werbung neuer Mitglieder verstoßen gemäß Randziffer 45b der Wettbewerbsgrundsätze gegen geltendes Recht und sind unzulässig.

Wir gehen davon aus, dass die Vertriebskonzepte der Krankenkassen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zu erwartenden Krankenkassen-Werbemaßnahmen-Verordnung (KKWerbeV) angepasst werden müssen. Wir kündigen bereits jetzt an, diese zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Beckschäfer