Rundschreiben KV
06. Juli 2021

Gesetzliche Krankenversicherung – Verträge –

An
An alle bundesunmittelbaren Krankenkassen
nachrichtlich
Bundesministerium für Gesundheit Aufsichtsbehörden der Länder GKV-Spitzenverband

Häusliche Krankenpflege, Verträge nach § 132a Abs. 4 SGB V, Umsetzung der Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V

Sehr geehrte Damen und Herren,
nach Erkenntnissen aus der Aufsichtspraxis des Bundesamtes für Soziale Sicherung gestalten sich die Vertragsverhandlungen nach § 132a Abs. 4 SGB V, insbesondere zum Bereich der außerklinischen ambulanten Intensivpflege, häufig schwierig. Dabei ist auch die teilweise noch nicht erfolgte Umsetzung des § 4 der Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (Rahmenempfehlungen) von Bedeutung.
Mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2019 wurden die Rahmenempfehlungen durch Einfügung des § 4 um Regelungen zur außerklinischen ambulanten Intensivpflege ergänzt. Darin ist u.a. geregelt, dass für die Versorgung von Versicherten im Rahmen der außerklinischen ambulanten Intensivpflege ein bestehender Vertrag für das jeweilige Bundesland nach § 132a Abs. 4 SGB V und eine diesbezügliche Ergänzungsvereinbarung Voraussetzung ist (vgl. § 4 Abs. 1 der Rahmenempfehlungen).
Für bereits bestehende Verträge mit Pflegediensten, die Intensivpflegebedürftige gemäß § 4 der Rahmenempfehlungen versorgen oder versorgt haben, sind Übergangsregelungen zur Anpassung an die Rahmenempfehlungen zu vereinbaren. Dabei darf ein Übergangszeitraum für die erforderlichen strukturellen Anpassungen des Pflegedienstes von vier Jahren nach Inkrafttreten dieses Paragrafen nicht überschritten werden. Die diesbezüglichen Verhandlungen sollen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des § 4, also bis zum 30. November 2020, aufgenommen werden (vgl. § 4 Abs. 25 der Rahmenempfehlungen sowie Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 14. November 2019, RS 2019/603).
Aus der Aufsichtspraxis ist uns bekannt, dass die Umsetzung des § 4 der Rahmenempfeh-lungen häufig noch nicht erfolgt ist. Nach unserem Eindruck ist die Versorgungsrealität an dieser Stelle kritisch. Es fehlen dann entsprechende vertragliche Regelungen bzw. Ergänzungsvereinbarungen oder, trotz der Frist bis zum 30. November 2020, wurde noch nicht mit Verhandlungen für eine Übergangsregelung begonnen. Die Krankenkassen treten teilweise erst bei einer anstehenden Versorgung und teilweise auch nur auf den konkreten Einzelfall bezogen in Verhandlungen mit dem Leistungserbringer ein oder lehnen Verhandlungen mit den Leistungserbringern ab, weil dieser gerade aktuell keinen Versicherten der Krankenkasse versorgt.
Die Umsetzung des § 4 der Rahmenempfehlungen soll jedoch nicht als individuelle Vereinbarung zu einer einzelnen Versorgung, sondern als grundsätzliche Vereinbarung erfolgen. Ziel ist, dass verbindliche Regelungen bestehen und die Krankenkassen nicht erst dann mit Verhandlungen beginnen, wenn bereits eine Versorgung unmittelbar ansteht oder bereits begonnen hat. Sofern hier keine Einigung erzielt werden kann, können entsprechende Ergänzungsvereinbarungen/Übergangsregelungen auch Gegenstand von Schiedsverfahren sein.
Die Regelungen zur außerklinischen ambulanten Intensivpflege dienen dem Ziel, die Versorgungsqualität in diesem Bereich zu stärken und bundesweit einheitliche Qualitäts- und Versorgungsstandards zu gewährleisten. Wir sehen bei mangelnder Umsetzung des § 4 der Rahmenempfehlungen die Gefahr, dass die notwendige Versorgungsqualität nicht ausreichend sichergestellt ist.
Auch wenn die aktuelle Rechtslage durch die Einführung der §§ 37c SGB V und 132l SGB V hinsichtlich der Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege zeitlich begrenzt ist, ist eine rechtskonforme Umsetzung des § 4 der Rahmenempfehlungen bis zur Ablösung durch die neuen Regelungen zur außerklinischen Intensivpflege erforderlich.
Vor diesem Hintergrund empfehlen wir ausdrücklich, entsprechende Verträge, Ergänzungsvereinbarungen oder Übergangsregelungen zu vereinbaren bzw. in entsprechende Verhandlungen mit den Leistungserbringern einzutreten.
Ferner kommt es in unserer Aufsichtspraxis häufig zu Beschwerden von Leistungserbringern über die Art und Weise der Vertragsverhandlungen nach § 132a Abs. 4 SGB V mit den Krankenkassen. Uns ist durchaus bewusst, dass die diesbezüglichen Probleme nicht nur den Krankenkassen zuzuschreiben sind. Dennoch lässt sich feststellen, dass die Kommunikation der Vertragspartner verbessert und die Dauer der Vertragsverhandlungen verkürzt werden könnte. Hier sind beide Vertragsparteien in der Pflicht. Sollten Schwierigkeiten im Einigungs-prozess, einschließlich der Bestimmung einer unabhängigen Schiedsperson, entstehen, haben sowohl die Leistungserbringer als auch die Krankenkassen die Möglichkeit, gemäß § 132a Abs. 4 Satz 10 SGB V einen Antrag auf Einsetzung einer Schiedsperson zu stellen. Hiervon machen die Krankenkassen noch selten Gebrauch. In der Folge werden Konflikte zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen oftmals auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen. Wir bitten um eine zügige Durchführung von Vertragsverhandlungen, damit eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung der Versicherten mit häuslicher Kranken-pflege sichergestellt ist.
Hinsichtlich der Vergütungsverhandlungen wurde mit Ergänzung des § 6 der Rahmenvereinbarungen mit Wirkung ab 1. Januar 2021 eine bundesweit einheitliche Grundlage für Vergütungsverhandlungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege geschaffen. Diese sollen dazu beitragen, Konflikte der Vertragspartner zu reduzieren. Eine möglichst zügige Umsetzung in den Verträgen ist daher wünschenswert.
Abschließend möchten wir auf den 6. Pflege-Qualitätsbericht des MDS nach § 114a Abs. 6 SGB XI aus März 2021 verweisen. In diesem wird u.a. ausgeführt, dass bei den Prüfungen in der ambulante außerklinischen Intensivpflege, insbesondere im Zusammenhang mit der Versorgung von beatmungspflichtigen Personen, Nachbesserungsbedarf festgestellt wurde. Die Prüfergebnisse zeigen, dass die externen Qualitätsprüfungen einen wesentlichen Beitrag für die Transparenz und die Entwicklung der Pflegequalität leisten. Bei konkreten Beschwerden über die Qualität einer Versorgung sind Anlassprüfungen ein wichtiges Instrument, um ggf. Impulse zur Qualitätsverbesserung zu geben. Daher regen wir an, vermehrt von der Möglichkeit der Anlassprüfungen gemäß §§ 114, 114a SGB XI/§ 275b Abs. 1 Satz 2 SGB V Gebrauch zu machen.
Wir bitten um Beachtung.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Domscheit