Rundschreiben KV
09. März 2022

Vergütungsverträge gem. § 133 Abs. 3 SGB V zur Versorgung mit sog. einfachen Krankenfahrten

An
alle bundesunmittelbaren Krankenkassen
nachrichtlich
BMG
Aufsichtsbehörden der Länder
GKV-Spitzenverband

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Erkenntnissen aus der Aufsichtspraxis des Bundesamtes für Soziale Sicherung ist festzustellen, dass viele Krankenkassen nicht in ausreichendem Maße Rahmenvergütungsverträge nach § 133 Abs. 3 SGB V mit Leistungserbringern für die Versorgung ihrer Versicherten mit sog. einfachen Krankenfahrten geschlossen haben. Aus dieser Verwaltungspraxis resultiert, dass oft erst bei Eintritt eines konkreten Beförderungsfalls Einzelverträge mit den Beförderungsunternehmen über die Vergütung geschlossen werden. Wir weisen Sie darauf hin, dass dies nicht der geltenden Gesetzeslage entspricht:

Aus den §§ 60, 133 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 SGB V ergibt sich die Verpflichtung der Krankenkassen zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen des sog. einfachen Krankentransports. Dieser Sicherstellungsauftrag besteht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darin, eine ausreichende Versorgungsstruktur im Bereich dieser Krankentransporte zu gewährleisten. Dazu werden die Krankenkassen verpflichtet, mit einer ausreichenden Anzahl von Leistungserbringern Vergütungsverträge abzuschließen, so dass die Versicherten jederzeit Krankentransporte in Anspruch nehmen können (BSG Urteil vom 29. November 1995, 3 RK 32/94).

Aus dem Regelungsgefüge des § 133 Abs. 1 SGB V ergibt sich ein Vertragsmodell zwischen Krankenkassen und geeigneten Leistungserbringern, nach dem durch den Wettbewerb unter den Leistungserbringern Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft werden sollen. Die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten durch vertragliche Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern soll diese dazu zwingen, ihre Leistungen marktgerecht anzubieten, und versetzt die Krankenkassen in die Lage, die Vergütung nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitsgebots auszuhandeln und eine preisgünstige Versorgung sicherzustellen (BSG Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 5/07 R; Urteil vom 03. November 1999, B 3 KR 4/99 R). Dieses gesetzliche Vertragsmodell ist gekennzeichnet von einer Verhandlungsparität der Vertragspartner.

Durch den Abschluss einer ausreichenden Anzahl von Vergütungsverträgen soll auch sichergestellt werden, dass die Versicherten unter mehreren möglichen Leistungserbringern, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind, frei auswählen können.

Schließlich gebietet es auch das Sachleistungsprinzip des § 2 SGB V, dass Verträge mit ausreichend vielen Leistungserbringern geschlossen werden. Soweit ausschließlich Kostenerstattungen angeboten werden, ist dies bei der Versorgung mit Krankentransporten nicht zulässig, denn auch bei dieser Leistung handelt es sich um eine Sachleistung. Auch wenn der Gesetzeswortlaut mit dem Begriff der „Kostenübernahme“ in § 60 SGB V eine Kostenerstattungsleistung nahelegt, handelt es sich beim Krankentransport nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dennoch um eine Sachleistung, vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1995, 3 RK 32/94; Urteil vom 18. November 2014, B 1 KR 8/13 R. Das Sachleistungsprinzip verfolgt den Schutzzweck, eine Vorleistung der Versicherten und das Risiko einer abgelehnten oder unzureichenden Kostenerstattung auszuschließen.

Die Ziele der gesetzlichen Regelungen der §§ 60, 133 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 SGB V werden nicht erreicht, wenn eine Krankenkasse in einem Leistungsbereich ausschließlich anlassbezogene Einzelverträge mit Leistungserbringern schließt, sei es nach erfolgter vorheriger Ausschreibung, sei es ohne vorherigen Vertrag und erst nach einer durchgeführten Beförderung. Um dem gesetzlichen Auftrag zu entsprechen, müssen Krankenkassen also in jedem Versorgungsbereich Rahmenverträge schließen.

Die gesetzlichen Regelungen gelten für alle Arten von sog. einfachen Krankenfahrten, also für die Beförderung von gehfähigen Versicherten im Sitzendtransport, die Beförderung im Rollstuhl, im Tragestuhl und die Liegend-Beförderung. In allen diesen Versorgungsbereichen müssen ausreichend viele Vergütungsverträge mit Leistungserbringern geschlossen werden. Dabei wenden wir uns nicht gegen die Praxis, insbesondere Serienfahrten und/oder Fahrten mit größeren Entfernungen im Wege von Einzelverträgen zu vergüten, sofern daneben auch Rahmenvereinbarungen im Sinne der gesetzlichen Regelung bestehen. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach auch Einzelvereinbarungen mit Beförderungsunternehmen, die zu günstigeren Preisen anbieten, als denjenigen in Rahmenvereinbarungen, neben den sonstigen Rahmenvereinbarungen rechtlich zulässig sind (BSG Urteil vom 13. Dezember 2011, B 1 KR 9/11 R). Begründet wird das mit der gesetzlichen Höchstpreisregelung gem. § 133 Abs. 1 Satz 4 SGB V.

Vor diesem Hintergrund bitten wir Sie, Ihre Vertragssituation zur Versorgung der Versicherten mit sog. einfachen Krankenfahrten gem. § 133 Abs. 3 SGB V zu prüfen und soweit erforderlich, an die geltende Rechtslage anzupassen.

Hiermit kündigen wir bereits jetzt an, dass wir zu gegebener Zeit eine stichprobenartige Überprüfung der Vertragssituation bei den bundesunmittelbaren Krankenkassen durchführen
werden.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Schmitz