Rundschreiben
03. Februar 2022

Prüfung der Abrechnung ambulanter Pflegesachleistungen und häuslicher Krankenpflege

An
alle bundesunmittelbaren Kranken- und Pflegekassen
nachrichtlich
Bundesministerium für Gesundheit
Spitzenverband Bund der Kranken- und Pflegekassen
Landesaufsichtsbehörden
Prüfdienste nach § 274 SGB V

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Prüfdienste des Bundes und der Länder führten in den vergangenen Jahren bei mehreren Trägern bzw. deren Dienstleistern Prüfungen zum Thema „Abrechnung ambulanter Pflegesachleistungen und häuslicher Krankenpflege“ durch. Die Prüfungen sollten neben der Kontrolle der Rechtsanwendung weiterführende Überlegungen fördern sowie Orientierungs- und Entscheidungshilfen geben. Ein Ziel der Prüfungen war dabei auch, zu beurteilen, ob im Rahmen der vereinbarten Abrechnungsprüfung auffällige Sachverhalte erkannt und Klärungen herbeigeführt, fehlerhafte Abrechnungen beanstandet und Rechnungsbeträge voll oder teilweise abgesetzt werden. Im Fokus standen auch Geschäftsprozesse der Abrechnungsprüfung von Pflegesachleistungen und häuslicher Krankenpflege.
Die Prüfung ergab, dass die Prüfintensität und Qualität der Abrechnungsprüfung bei ambulanten Pflegesachleistungen nach dem SGB XI im Vergleich deutlich geringer ausfällt als bei Abrechnungen der häuslichen Krankenpflege. Während bei der Abrechnung von Leistungen häuslicher Krankenpflege nur punktuell Optimierungsbedarf festgestellt wurde, stellten die Prüfdienste bei der Abrechnung ambulanter Pflegesachleistungen durchgehend Mängel fest, die sich nicht allein durch strukturelle Gegebenheiten, wie

  • hohe Anzahl von Einzelleistungen mit unterschiedlichen Vergütungen je Abrechnung, 
  • heterogene Vertragslandschaft mit teilweise erheblich divergierenden Abrechnungsbestimmungen
  • und das Fehlen einer zentralen Vertragsdatenbank für eine vollumfängliche Abrechnungsprüfung sowie das bisher
  • unzureichend umgesetzte Datenträgeraustauschverfahren

begründen lassen.

Die Vielzahl und Vielfalt der von den Trägern bzw. Dienstleistern nicht erkannten Abrechnungsfehler bei der Abrechnung ambulanter Pflegesachleistungen zeigen deutlich, dass wesentliche Bereiche des Abrechnungsprozesses verbesserungsbedürftig sind. So findet bei der Abrechnung ambulanter Pflegesachleistungen weder eine Prüfung auf Einhaltung der Vergütungsvereinbarungen noch eine Preisprüfung statt. In zahlreichen Fällen wurden Absetzungen nicht vorgenommen, obwohl die Leistungserbringer nicht erbrachte, nicht abrechenbare oder zu teure Leistungen abgerechnet hatten. Abrufempfehlungen und Erläuterungen zu den Leistungskomplexen blieben unberücksichtigt. Unplausibilitäten oder fragwürdige Kombinationen von Leistungskomplexen wurden nicht hinterfragt. Auch die Vollständigkeit der Abrechnungsunterlagen wurde nicht hinreichend geprüft. Defizite zeigten sich auch im Zusammenhang mit der Prüfung von Ausschlusstatbeständen (z.B. stationäre Krankenhausaufenthalte, stationäre Rehabilitationsmaßnahmen u. ä.).

Unsere Prüffeststellungen belegen, dass bei der Abrechnung der Pflegesachleistungen nach dem SGB XI nicht umfassend und differenziert genug geprüft und abgerechnet wurde. Aufgabe der Kranken- bzw. Pflegekassen ist es, die Abrechnungen der Leistungserbringer auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität zu prüfen. Dieser gesetzlichen Aufgabe kommen die Kranken- und Pflegekassen nach unseren Erkenntnissen nur unzureichend nach.

Unsere Empfehlungen an die Kranken- und Pflegekassen sind:

  • Bei einer Auslagerung der Abrechnungsprüfung an Dienstleister sind Prüfstandards einzuhalten. Lagert die Kasse die Abrechnungsprüfung aus, bleibt sie weiterhin verantwortlich und muss sowohl die „im Haus“ verbliebenen als auch an „Dritte“ vergebene Leistungen effektiv in ihr Gesamtkonzept einbringen. Des Weiteren sind die Aufgaben des Dienstleisters in detaillierten Leistungsbeschreibungen und -vorgaben festzulegen und fortzuschreiben. Die Schnittstellen zwischen Dienstleister und Pflegekasse sind präzise zu definieren. Mindestens einmal jährlich ist die Einhaltung der Sozialversicherungs-Rechnungsverordnung durch den Dienstleister vom Auftraggeber zu prüfen.
  • Die verpflichtende Abrechnungsprüfung umfasst die Leistungspflicht, die ordnungsgemäße Leistungserbringung sowie Leistungsbeschränkungen, insbesondere die Berücksichtigung von gesetzlichen Ausschlusstatbeständen und die Überlagerung von Abrechnungszeiträumen mit sich ausschließenden Leistungsarten (Krankenhaus, Rehabilitation, Anschlussheilbehandlung, Kurzzeitpflege). Insbesondere sollen mögliche Doppelleistungen vermieden werden (§ 34 SGB XI). Die hierzu erforderliche gemeinsame Datennutzung muss anlassbezogen erfolgen und ist daher nur zum Zweck der konkreten, einzelfallbezogenen Rechnungsprüfung zulässig. Eine systematische Prüfung von Betrugstatbeständen ist den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen Vorbehalten.
  • Die Einhaltung der vertraglichen Regelungen (Rahmenverträge, Vergütungs- und Versorgungsverträge u. a.) ist in die Abrechnungsprüfung einzubeziehen. Dazu zählen Leistungskomplexe und Leistungsbegrenzungen. Eine Preisprüfung ist ausnahmslos sicherzustellen.
  • Ein einheitlicher, maschinenlesbarer Leistungsnachweis, der verpflichtend alle zur Abrechnung erforderlichen Angaben enthält, sollte eingesetzt werden. Die Übereinstimmung dieser Angaben mit der jeweiligen Rechnung ist jedenfalls zwingender Bestandteil der Abrechnungsprüfung. Die zur Abrechnung übermittelten Daten sowie die noch in Papierform übersandten Unterlagen sind dabei auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen.

Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass eine Reduzierung der Vertragsvielfalt bzw. eine Harmonisierung und Vereinfachung der Vergütungssystematiken zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung beitragen könnte.

Die Prüfung der Abrechnung ambulanter Pflegesachleistungen und häuslicher Krankenpflege und damit die Einhaltung der Empfehlungen steht weiterhin im Fokus der Prüfungen unseres Hauses.

Mit freundlichen Grüßen
(Dr. Uwe Markus)